
Auswirkungen bilingualer Erziehung interessierten mich schon, als ich kinderlos von Aachen nach Maastricht gependelt bin. In meinem Psychologie-Studium habe ich unter anderem gelernt, dass die Sprachentwicklung ein ziemlich kontrovers diskutiertes Thema ist. Bei der Frage, wie Sprache sich in unseren Köpfen (und den Köpfchen unserer Kinder) entwickelt, sind sich Forscher in einem Punkt einig: Eine konsequente bilinguale Erziehung hat SEHR viele Vorteile:
Erstens: Mehrsprachigkeit verschafft geistigen Vorsprung!
Ganz abgesehen davon, dass Lalo und SaM später eine Sprache mehr können als 2/3 ihrer Mitmenschen, hat meine bilinguale Erziehung einen positiven Einfluss auf ihre kognitive Entwicklung (kognitiv = Wahrnehmen, Denken, Informationen verarbeiten). Neurowissenschaftliche Studien (d.h. Studien die sich mit Vorgängen im Gehirn beschäftigen) belegen, dass mehrsprachige Kinder ein besseres Arbeitsgedächtnis und eine höhere Aufmerksamkeitskontrolle aufweisen. Bilinguale Kinder können Informationen schneller verarbeiten (Bsp. Kopfrechnen) oder Aufgaben schneller lösen. Darüber hinaus sind bilingual aufwachsende Kinder in höherem Maße emphathiefähig und häufiger in der Lage Konflikte zu lösen.
Zweitens: Gibt es ein Zeitfenster für das bilinguale Gehirn?
Die Info, dass Kinder bis zur frühen Pubertät Zeit haben ihre Muttersprache zu lernen und auszubauen, finde ich absolut beruhigend. Die erste Phase der Pubertät beginnt in der Regel gegen Ende der Grundschulzeit. Früher hieß es nämlich, dass die Muttersprache bis zum 3. Lebensjahr gesetzt sein sollte. Also, wenn es noch nicht 100% läuft, keine Panik!! Trotzdem ist hier Vorsicht geboten: Kinder müssen konsequent in den Sprachen kommunizieren (bzw. sich damit auseinandersetzen). Sollte dein Kind sich nur in einem ganz kleinen Prozentsatz mit der Sprache auseinandersetzen (weniger als 20%), kann man nicht mehr wirklich von einer mehrsprachiger Erziehung sprechen. PLUS: die erste Muttersprache kann auch durch die zweite (Umgebungs-) Sprache, beispielsweise im Kindergarten, ersetzt werden. Dein Kind könnte eine Sprache also komplett verlernen, wenn sie nicht konsequent genutzt wird. BEÄNGSTIGEND! Also immer schön dran bleiben.
Drittens: Mein Kind mischt Sprachen, was muss ich hier beachten?
Grundsätzlich ist es nicht so schlimm, wenn Kinder die Sprachen mischen. Heutzutage wird von einer Fähigkeit gesprochen und nicht von einer fehlerhaften Sprachentwicklung. Kinder können nämlich entsprechend der Person und Situation sehr wohl unterscheiden, wann welche der beiden Sprachen angebracht sind und wann nicht. Dieser Wechsel in der Sprache resultiert sehr oft durch eine veränderte Situation, Emotion oder andere Aspekte. Fluchen kann ich beispielsweise am besten auf deutsch, wohingegen ich bei Liebkosungen automatisch Arabisch spreche. Auch der Wortschatz spielt hier eine große Rolle: Sobald es wissenschaftlich oder politisch wird, fällt mir eine Diskussion auf Arabisch sehr schwer. Geht es in der Unterhaltung um ein Thema aus meinem Studium, lasse ich sehr viele englische Begriffe miteinfließen (hast es erfasst, mein Studium war englischsprachig). ABER, again, auch hier ist Vorsicht geboten: Das häufige mischen kann sehr oft auch ein Zeichen lückenhafter Kompetenz in einer Sprache sein. Hier musst du dein Kind gut beobachten und am besten meine Tipps für eine erfolgreiche bilinguale Erziehung beachten 🙂
Viertens: Ok, bilinguale Kinder können nicht ALLES…
Im Vergleich zum einsprachigen Gehirn braucht das mehrsprachige oft länger um die richtigen Worte zu finden. Wodurch entsteht das? Das liegt unter anderem daran, dass Teile des Hirns in ständiger Aktivität sein müssen (quasi immer ‚online’), um zu entscheiden, welche der beiden Sprache benutzt und welche unterdrückt werden muss. Wenn dein Kind beim nächste Mal etwas länger braucht um dir auf deine Frage zu antworten oder die richtigen Worte zu finden, weißt du: die Zutaten im Hirn müssen noch gemischt werden!
Ich hoffe sehr, dass dich der Input motiviert weiter dran zu bleiben. Ich weiß es ist anstrengend ABER es lohnt sich!!
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Falls Interesse besteht sich hierzu weiter einzulesen, meine Quellen:
Erika Hoff, Language Development in Childhood
Bialystok et al.,2008: Cognitive Control and Lexical Access in Younger and Older Bilinguals
Bialystok et al.,2005: Effect of bilingualism on cognitive control in the Simon task
Russmair, 2014: Förderung frühkindlicher Mehrsprachigkeit
www.br.de/radio/bayern2/warum-sich-bilinguitaet-lohnt-100.html
www.zeit.de/2015/47/mehrsprachigkeit-kinder-vorteile/komplettansicht